Wenn sich die Selbstwahrnehmung plötzlich drastisch verändert, können wir zu einem ganz anderen Menschen werden. Genau das geschieht bei Patient:innen mit kPTSD. Warum diese gestörte Selbstwahrnehmung durchaus gefährlich sein kann, was sie nach sich zieht und was Betroffene und Angehörige tun können, darum geht es hier.
Komplexe posttraumatische Belastungsstörung – kurz und knapp
Komplexe posttraumatische Belastungsstörungen (kPTSD) entstehen durch wiederholte oder lang anhaltende Traumatisierungen. Diese gehen meist auf psychische, körperliche oder sexuelle Gewalt oder frühkindliche Vernachlässigung zurück. Die Beschwerden von Menschen mit kPTSD sind vielfältig, denn ihre Traumatisierung beeinträchtigt ihr gesamtes Erleben, Denkens und Fühlen in Bezug auf ihre Umwelt.
Dadurch fällt es Betroffenen schwer, ihre Emotionen und Impulse zu kontrollieren, gerade bei negativen Gefühlen wie Ärger, Wut oder Trauer. Auch Aufmerksamkeit und Bewusstsein werden durch kPTSD beeinflusst und oft scheinen Betroffene mit den Gedanken ganz woanders zu sein. Es verändert die Lebenseinstellung und soziale Beziehungen.
Zudem leiden Betroffene oft unter körperlichen Beschwerden, für die keine anatomische Grundlage gefunden werden kann. Besonders häufig sind das chronische Schmerzen, Verdauungsstörungen, Erschöpfung, Schwindel und Herzprobleme. Außerdem führt kPTSD oft zu einer gestörten Selbstwahrnehmung.
Woran erkennt man eine gestörte Selbstwahrnehmung?
Menschen, die an einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung leiden, fühlen sich oft hilflos und haben das Gefühl, ihr Leben nicht beeinflussen zu können. Sie haben in der Regel ein geringes Selbstwertgefühl und fühlen sich von ihrer Umwelt unverstanden. Betroffene isolieren sich oft und haben Schwierigkeiten, sich anderen gegenüber zu öffnen. Dazu kommen oft Schuldgefühle und Selbstanschuldigungen, auch in Situationen, auf die sie offensichtlich keinen Einfluss haben.
Weitere Anzeichen einer gestörten Selbstwahrnehmung sind Antriebsarmut und Ekel vor sich selbst, der in Selbstverletzungen und mangelnder Selbstfürsorge münden kann. Die eigenen Bedürfnisse werden dann ignoriert oder gar nicht erst wahrgenommen. Diese Probleme in der Selbstwahrnehmung können sich bis hin zu Bewusstseinsstörungen, Amnesien, dissoziativen Episoden und sogar der Abspaltung ganzer Persönlichkeitsanteile, also einer dissoziativen Identitätsstörung entwickeln.
Was können Patienten tun?
Wer unter kPTSD leidet, sollte sich in fachkundige Behandlung geben. Inzwischen gibt es vielfältige Behandlungsangebote, sodass man sicher das passende findet. Schon vor und während der Behandlung kann man sich außerdem im engen Familien- und Freundeskreis Menschen suchen, mit denen man sein Leiden teilt und von denen man besondere Unterstützung erhält. Auch wenn genau das Menschen mit kPTSD schwerfällt, ist diese Hilfestellung absolut notwendig!
Wie können Angehörige helfen?
Angehörige wie Familie und Freunde spielen bei der Unterstützung von Menschen mit kPTSD und während deren Heilungsprozess eine große Rolle. Oft sind sie die ersten, die drastische Veränderungen an traumatisierten Personen bemerken, und können diese dann auf der Weg zu einer Behandlung begleiten.
Dabei ist es wichtig, gut informiert zu sein, denn wenn Sie genau Bescheid wissen, was die Symptome von kPTSD sein können, fällt es Ihnen auch im Alltag leichter, Probleme und Reaktionen nicht auf sich zu beziehen, sondern sie im Kontext der Traumatisierung zu sehen. Auch wenn es nicht leicht ist, Betroffene durch ihre Erkrankung zu begleiten, haben Studien gezeigt, wie wichtig ein gefestigtes soziales Umfeld für den Therapieerfolg und die anschließende soziale Wiedereingliederung ist.
Quellen
Maercker: Komplexe PTBS. (2019).
Hecker und Maercker: Komplexe Posttraumatische Belastungsstörungen nach ICD-11. (2015)