Der Mechanismus einer narzisstischen Partnerschaft

Oder: Wie gerate ich an einen Narzissten?

Ich möchte hier beschreiben, was passieren muss, damit man sich überhaupt auf einen Narzissten einlasst. Es gibt einen Mechanismus, nach dem jede toxische Partnerschaft mit einem Narzissten (jederlei Geschlechts im Übrigen!) abläuft.

Die Kennenlernphase:

Treffe ich einen Narzissten, spüre ich intuitiv, dass er emotional ungebunden ist. Der Narzisst und vor allem die Narzisstin verfügen normalerweise über ein ausgeklügeltes Repertoire an verführerischen Eigenschaften. Es kann aber sein, dass er einem isolierten, einsamen kleinen Schäfchen wie mir einfach nur zuhört, wenn es sein Herzchen ausschüttet.

Vampirpaar

Irgendwas finde ich an ihm/ihr umwerfend attraktiv: Sei es das bis ins Detail gepflegte Äußere, eine raffinierte Bildung, ein hoher Status (wenn auch nur vorgegaukelt), vermeintlicher Reichtum, exzellenter Sex voller Leidenschaft, oder oder oder. Er präsentiert sich als der perfekte Partner, auf den man schon immer gewartet hat.

Das Dating:

Da ich mich schon da habe blenden lassen, bevor es überhaupt zur Beziehung gekommen ist, müsste ich eigentlich – wenn ich selbstreflektiert wäre, jetzt schauen, an was es mir in meinem Leben mangelt, was ich beim anderen suche. Denn eigentlich geht es bei einer Beziehung nicht um die Kompensation eines Mangels, sondern um den Austausch von Geschenken: nämlich Liebe und Vertrauen, Respekt, Zuverlässigkeit und Verbindlichkeit.

Ich bemühe mich nun, diese Person zu „kriegen“ und lasse dabei alle Warnzeichen (Red flags) außer Acht, die mir zeigen, dass es sich um einen toxischen Bindungspartner handelt; ich idealisiere ihn. Das heißt, ich vertraue ihm blind. Genau genommen sitze ich da schon in der Falle. Eine Venusfliegenfalle.

Der Anfang der Beziehung:

Der Narzisst findet mich insgeheim putzig, ohne mich ernst zu nehmen. Erst wenn ich anfange, Ansprüche zu stellen, wird ein Geschäft daraus. Man wird gekauft, um dann ausgebeutet und wieder stark abgenutzt verkauft zu werden. Zu Beginn fängt der Narzisst an, meine Begeisterung für ihn und die Idealisierung auf mich zurück zu projizieren. Ich fühle mich wie im siebten Himmel, weil ich denke, dass das echte Wertschätzung für mich sei; er fühlt sich wie im siebten Himmel, weil jemand ihm endlich sein großartiges Ich widerspiegelt, wie er sich gerne sieht und in Szene setzt. Die Narzisstin spielt gerne die Unnahbare, Geheimnisvolle.

Nach einer Weile:

Sobald dann aber keine echte Bindung zustande kommt, merken beide Partner, dass es sich um einen Fake, einen Betrug handelt. An diesem Punkt kommt die Profitgier des Narzissten zum Tragen: Er kann nicht loslassen, weil er einerseits Minderwertigkeitskomplexe hat, die er durch mich kompensieren muss und will wieder wie ein Celebrity idealisiert werden, andererseits will er mich ja ausbeuten. Er wird seine Schwachstellen nicht ansehen oder gar bearbeiten, sondern verdrängt alles. Er ist größenwahnsinnig.

Der Narzisst wird nun aggressiv: Er überschüttet mich mit verbalen und/oder physischen Attacken, Sexentzug, Erpressungen, Lügen, Gaslighting, falschen Behauptungen, dreht mir das Wort im Mund herum, etc., um mich unter Kontrolle zu bringen. In der Öffentlichkeit ist er der zuvorkommendste Kerl, den die Welt je erlebt hat – so, wie er zuhause sein sollte. Keiner würde je in Erwägung ziehen, dass er zuhause von Dr. Jekyll zu Mr. Hyde mutiert! Er probiert solange alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel aus, bis er mich wieder unter (emotionaler/finanzieller) Kontrolle hat. Ich nenne das gerne „das Handwerkszeug des Bösen“.

Aber hauptsächlich geht es um meine Abwertung, die Zerkleinerung meines Selbstwertgefühls, damit ich mich wieder unterwerfe, und meine Isolierung, damit ich angreifbar werde. Die Abwärtsspirale hat begonnen. Er misstraut mir scheinbar. Ich als Partner versuche nun je nach Temperament, zu beweisen, dass ich es wert bin, geliebt zu werden und dass ich vertrauenswürdig bin – was ein bisschen naiv ist, oder ich gehe auf Distanz zu den Attacken des Narzissten (die gesunde Reaktion eines Menschen mit einem hohen Selbstwertgefühl). Entziehe ich mich der Kontrolle, nimmt das Drama nur noch stärker zu, denn für den Narzissten kommt eine Niederlage dem Tod gleich. Er kämpft also ums Überleben! Und das mit der Erwartung zu gewinnen. Damit ist auch klar, was ich für meinen narzisstischen Partner wirklich bin: sein Erzfeind.

Die Achterbahnfahrt:

In so einem panischen Zustand ist der Narzisst lebensgefährlich – wenn auch nur im übertragenen Sinne. Ein Psychopath, und da unterscheiden sich die beiden Typen, würde jetzt zur Mordwaffe greifen und zuschlagen, zustechen oder abdrücken, um den Partner zu behalten. In diesem Moment geben die meisten Menschen dann doch nach und lassen sich unterwerfen – und der Narzisst oder Psychopath hat gewonnen. Bei einem Narzissten hingegen kann man dann schon mal erleben, dass er einen mit Alkohol betrunken macht und dann schlafend nackt auszieht und so fotografiert, um dann später – naja… Das Königreich auf Erden hat sich in eine terroristische Diktatur verwandelt.

Das Ende – oder doch nicht?

Wenn der Beziehungsabbruch unvermeidlich ist, geht er ganz krass auf Distanz, betreibt Rufmord ohne Ende und sucht sich gegebenenfalls jemand neuen, der ihn wieder idealisiert und dem er am Anfang alles gibt, was ich mir gewünscht habe. Ich bleibe aber durch dauernde Kontaktversuche immer in Reichweite. Ich werde ständig belästigt, habe gar keine Zeit, um über die gescheiterte Beziehung hinwegzukommen, sondern muss mich immer wieder – teilweise über Jahre hinweg – mit ihm beschäftigen. Das nervt und zehrt an mir. Aber das ist ja Absicht. Wenn ich es doch schaffe, mich ganz zu entfernen, gehen die Kontaktversuche trotzdem weiter, sogar nachdem die 6-monatige Frist eines staatsanwaltlichen Kontaktverbots abgelaufen ist. Es kann sogar sein, dass wenn seine neue Beziehung fade geworden ist, er wieder mit mir anbändeln will. Das kann in (Online-)Stalking münden, sogar über Jahrzehnte hinweg.

Fazit:

Genau genommen kommt man so jemandem nur ganz schwer bei. Gerade, wenn Kinder im Spiel sind, kann der Kontakt zum Narzissten sehr erschöpfend wirken. Hier greift nun die psychosomatische Therapie, wenn es schon zu manifesten Depressionen gekommen ist, (leider) die Psychiatrie. Immerhin lassen sich doch die meisten Narzissten von einem anwaltlichen Schreiben abschrecken und lassen dann vom Kontakt ab. Spätestens, wenn es um Stalking geht.

In seltenen Fällen hat man aber ein Leben lang mit ihnen zu tun. Alleine der Kinder wegen.

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