Welche Formen von Gewalt erleben Kinder?
In einer Studie aus dem Jahr 2011 gaben rund 13 % der befragten Jugendlichen und Erwachsenen an, im Kindesalter Opfer von sexuellem Missbrauch geworden zu sein. Neben körperlichem sexuellem Missbrauch können Kinder auch Opfer von sexuellen Übergriffen im Internet oder Exhibitionismus werden.
Nicht nur sexueller Missbrauch, sondern auch andere Formen der Gewalt können in der Psyche von Kindern nachhaltige Schäden hinterlassen. Der Umfrage zufolge sind weltweit ca. 22% der Kinder körperlicher Gewalt ausgesetzt. Aber auch Vernachlässigung kann von Kindern als traumatisch empfunden werden.
Tatsächlich stellt Vernachlässigung eine der häufigsten Arten von Misshandlung in der Kindheit dar und zieht ähnliche Folgen für die psychische Gesundheit nach sich wie körperliche und sexuelle Gewalt. 16 % der Befragten gaben in einer Studie an, in ihrer Kindheit körperlich vernachlässigt worden zu sein, 18 % erlitten emotionale Vernachlässigung.
Auch seelische Gewalt, unter die beispielsweise Mobbing durch Gleichaltrige, aber auch Erniedrigungen, rassistische oder frauenfeindliche Kommentare durch Eltern, Familienmitglieder, Lehrer, Trainer oder Fremde fallen, ist leider häufig. Sie lässt sich bisher nur schwer beziffern und die Folgen für die psychische Gesundheit der Kinder sind noch unzureichend erforscht.
In vielen Fällen sind Kinder der Gewalt nicht direkt ausgesetzt, sondern erleben diese als Zeugen beispielsweise im Familienkreis. Sie hören oder sehen gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen den Eltern oder geraten auch mit hinein, weil sie versuchen, schützend einzugreifen. Auch diese Form der kindlichen Gewalterfahrung kann schwere Folgen haben.
Folgen von sexuellen Gewalterfahrungen in der Kindheit
Jeder Mensch und jedes Kind geht mit extremen Erfahrungen wie dem Erleben sexualisierter Gewalt, aber auch dem Erleben anderer Formen von Gewalt oder Vernachlässigung anders um. Auch die Folgen unterscheiden sich je nach Dauer des Erlebnisses. Findet ein Erlebnis wiederholt oder über einen langen Zeitraum hinweg statt, kann das zu unterschiedlichen Folgen für das betroffene Kind führen. Ebenso sind die Auswirkungen je nach Geschlecht verschieden.
Generell haben Menschen allerdings besonders in der Kindheit ein hohes Risiko für Traumafolgestörungen aufgrund von Gewalterfahrungen. Im Zusammenhang mit kindlichem Gewalterleben haben die posttraumatische Belastungsstörung und das komplexe Trauma noch nicht ausreichend Bekanntheit als Diagnose erreicht. Dennoch kommt es bei Betroffenen häufig zu diesen Spätfolgen. Oft bekommen sie dann eine Reihe verschiedener Diagnosen wie depressive, Angst- oder Panikstörungen.
Alarmsignale bei Kindheits-Traumata
- Vermeidungsverhalten: Betroffene versuchen, Situationen, die an das Erlebte erinnern, aus dem Weg zu gehen
- sozialer Rückzug
- in manchen Fällen Abneigung und Vermeidung von Sport und körperlicher Anstrengung (schneller Atem und beschleunigter Herzschlag treten auch während der Traumatisierung auf)
- Nachhallerinnerungen tagsüber, aber auch in Träumen, dadurch Schlaflosigkeit
- erhöhte Erregung und übermäßige Wachsamkeit
- Reizbarkeit und Schreckhaftigkeit
- emotionale Taubheit und geistige Abwesenheit
Was kann ich tun?
Wer mehrere dieser Symptome, die meist zeitverzögert Wochen oder Monate nach dem eigentlichen Erlebnis einsetzen, von sich selbst oder Menschen im eignen Umkreis kennt, kann sich Hilfe holen. Für professionelle Unterstützung im Umgang mit Traumata sollte man sich an eine Psycholog:in wenden. Je nach Alter der betroffenen Person gibt es unterschiedliche Ansprechpartner:innen. Bei Minderjährigen können speziell ausgebildete Kinder- und Jugendpsycholog:innen mit Kenntnissen im Bereich der Traumatherapie helfen.
Quellen
Haan, Deegner & Landolt. Gewalt in der Kindheit und ihre Folgen. (2019).
Vasic et al. Anhaltender sexueller Missbrauch in der Kindheit und Langzeitfolgen für die Entwicklung. (2015).